Das Fenshall Marder Projekt


oder auch :

Bleistift-Gitarren-

Röhren-Amp

Was zum Geier haben Bleistifte mit Gitarren und auch noch irgendwelchen Röhren zu tun ?

Diese Seite stellt ein Projekt vor, das aus einer Diskussion in einem Internetforum zu einer Idee wurde und schließlich in einem Versuchsaufbau mündete.

Und vielleicht... wird auch noch ein richtiges Gerät, ein Prototyp draus ? Mal sehen.....

Inhalt

Copyright Hinweise

Vorgeschichte

Alles begann mit einer Diskussion in einem Internetforum für Gitarren und Bässe, oder besser deren Bediener, über den Mangel an einem Verstärker fürs traute Heim. Er sollte klein sein, nicht so laut dass er die Nachbarn auf die Palme bringt und natürlich klingen wie ein richtig guter Röhrenamp.

Nun, das sind drei Wünsche auf einmal... eine richtige Lösung gab es damals freilich nicht, wohl aber ein paar Ideen, was man denn überhaupt für eine Schaltung und mit welchen Röhren aufbauen könnte.

Das hat den Autor, also mich, irgendwie gepackt. Ich hatte mich schon länger mit Musikelektronik befaßt und hatte auch schon viele nützliche Dinge geschaffen. Warum also nicht mal einen Mini-Röhrenamp. Nun bin ich der Auffassung, dass ein Gitarrenverstärker ja eigentlich mehr ein Effektgerät denn ein Verstärker im eigentlichen Sinn ist. Schließlich geht es um die Erzeugung ganz bestimmter Sounds, wie sie uns die Großen Götter des Rockolymp gezeigt haben. Das heißt, das Gerät soll relativ klein sein, wie ein Effektpedal zu Füßen des Gitarristen stehen und mit eingebauten Fußschaltern betätigt werden.

Der Klang sollte sowohl einen cleanen Kanal a'la Fender, als auch einen verzerrten Kanal a'la Marshall, die miteinander mischbar sein sollten, besitzen. Auch sollte ein Effektweg in paralleler Bauart hinein, außerdem sollte man den Klangcharakter modifiziern können mit solchen Schlagworten wie Boost und Bright und vielleicht noch etwas mehr.

Lautsprecher sollte man natürlich direkt anschließen können, für den Hausgebrauch reichen zwar ein paar Milliwatt, aber es dürfen dann schon durchaus bis an die 5 Watt sein, man will ja auch mal die Sau rauslassen, wenn der Nachbar nicht da ist. Für stille Momente sollte noch ein Kopfhöreranschluß dran und ein DI-Ausgang, um direkt aufnehmen zu können. Die sollten natürlich so klingen, wie mit Lautsprecher dran.

Man wird als Kenner des Musikmarktes natürlich sagen, das gibts doch schon ! Ja freilich von der Fa. Koch in den Niederlanden gibt es das "Pedaltone". Aber wie sieht denn das aus, nun ja, Geschmackssache, und ob es wirklich klingt, muss man probieren, was wohl schwierig wird, denn welcher Händler hat sowas da ? Außerdem gibt es Effekpedale auch mit Röhren, besonders ins Auge fällt dabei das "TwinTube" vin der Fa. Seymour Duncan. Das hat Subminiaturröhren, was uns noch weiter unten beschäftigen wird.

Damit war erst mal klar, was es werden sollte, nun fehlt nur noch das wie....


Entwurf

Der Entwurf beginnt mit der Analyse vorhandener Schaltungen für Gitarrenamps. Für den cleanen Teil nehmen wir natürlich die allseits beliebten "Blackface" oder "Silverface" wie "Twin Reverb" , also mit Tonestack ( Girarrenampisch für passiven Tonsteller ) nach der ersten Verstärkerstufe. Für den verzerrten Kanal schauen wir uns insbesondere solche Klassiker wie den JCM 800 Modell 2103 oder ähnliche an, mit den reichlich verwendeten Röhrensystemen, dem irren Kathodenwiderstand der zweiten Stufe und dem niederohmig am Ende des Vorverstärkers angeordneten Tonestack. Auch bei der Endstufe halten wir uns an das hochohmigere Konzept a´la JCM mit Gegenkopplung aber ohne Präsenzsteller.
Also zeichnen wir uns erst mal einen Blockschaltplan. Wir planen die Anzahl der Verstärkerstufen und deren Verstärkungsfaktoren, die Lage der Tonestacks und Volumesteller und den ungefähren Aufbau der Ennstufe.

Außerdem planen wir den Mix der beiden Kanäle und die damit verbundene Einschleifung des Effektweges. Da wir keinen internen Hall effekt vorsehen, aber ein cleaner Verstärker ohne nicht wirklich klingt, sehen wir einen parallellen mischbaren Kanal zum Anschluss eines externen Gerätes vor.

Sehr wichtig sind außerdem die frequenzbestimmenden Netzwerke, die den charakteristischen Klang eines Gitarrenverstärkers durch Einsatz von Hochpässen und ( wir werden noch sehen.. ) auch Tiefpässen ermöglichen.

Blockschaltbild des Entwurfs ( klick für vergrößerte Ansicht oder als PDF )

Jetzt ist die Zeit, uns geeignete Röhren auszusuchen, gewöhnliche Verdächtige scheiden aus, das gibt es ja nun wahrlich zur genüge und es sieht dann aus wie oben schon angemerkt...

Nein, wir wollen etwas neues schaffen und zwar entsprechend der Neuen Zeit, wo alles immer kleiner wird, auch mit kleinen Röhren, also den Subminiatur oder auch Bleistiftröhren, wie die Amerikaner so treffend sagen.

Also erst mal ein halbes Pfund Röhren bei einem Internethändler besorgt und so geschaut, was da so alles dabei ist.

Parallel wurde aber fleißig recherchiert, welche Typen an Subminiaturröhren überhaupt noch in vernünftigen Mengen und zu vernünftigen Preisen angeboten werden. Da zu wurden dann auch die Datenblätter beschafft und die eine oder andere Arbeitskennlinie gezeichnet, mit verschiedenen Kathodenwiderständen die Aussteuerbarkeit geprüft und mit den Verhältnissen in den Vorbildverstärkern verglichen. Desgleichen für die Endröhren, obwohl da nicht viel Auswahl ist.

So ergibt sich an einsetzbaren Vorstufenröhren:

  • Aus amerikanischer Produktion die 6021, 6111 und 6112
  • Aus russischer Produktion die 6N16B und 6N17B

Für die Endstufe kommen nur die 5902 und 5639 in Frage.

Für den Anfang fiel die Wahl auf 6N17B und 5902, alternativ im Phasendreher auch 6N16B und in der Endstufe 5639. Damit können wir nun an das Aufzeichnen des Stromlaufplanes gehen.


Stromlaufplan

Nebenstehend hier nun der Stromlaufplan, wie er als Grundlage für den Versuchsaufbaue eingesetzt wurde. Hierzu ein wichtiger Hinweis: die Bauelementewerte sind ebenfalls als Entwurf anzusehen und stehen einer Änderung beim realen Aufbau offen. So wurde auch die Benummerung der Bauelemente nachträglich nicht geordnet, so dass beispielsweise die Endröhren, die rechts stehen, mit TR1 und TR2 bezeichnet sind, sie waren nunmal das erste, was gezeichnet wurde. Außerdem ist die Hauptschaltung noch von Varianten für Versuche umgeben.

Für die Betrachtung empfiehlt sich die Nutzung des PDF Dokumentes, das benutzte Entwurfsprogramm ( Target ) kann leider keine schöne Bilder im JPG Format ausgeben.

Stromlaufplan des Entwurfs ( klick für vergrößerte Ansicht oder als PDF )
Nun zu einer kleinen Beschreibung der Schaltung. An C9 wird das Gitarrensignal eingekoppelt und vorverstärkt. Danach teilt sich der Signalweg auf. Ein Pfad führt an den Tonestack des Fender Kanals links oben. Hier kann der Widerstand am Fuß R73 überbrückt werden, es entsteht ein Boost-Effekt. Außerdem gibt es auch den bekannten Bright-Schalter ( S4 ). Das erste System von Röhre TR4 hebt den Pegel dann wieder an und koppelt das Signal auf den Mischer für beide Kanäle. Dazu später mehr.

Der andere Signalpfad ist der Marshall Kanal mit dem zweiten System von TR5 und TR6 . Zunächst beginnt das Ganze mit einem Hochpass und dem Gainregler R38. Nach der Verstärkung folgt wieder ein Frequenzkorrekturglied und die nächste Verstärkerstufe mit der bekannten niederohmigen Auskopplung an mittels Kathodenbasisschaltung. Das Signal durchläuft dann den Tonestack nach Marshall Manier mit Sweep-Regler und umschaltbaren Kapazitäten zur Klangmanipulation. So etwas kann man beispielsweise bei den Modellen DSL50/100 finden. Bemerkenswert ist noch der große Kathodenwiderstand von TR5-2, der das Signal im stark gekrümmten Abschnitt der Eingangskennlinie verstärkt. Die Überbrückung mit der RC Kombination C20 und R47 dient hier der Boost Funktion, natürlich auch der völlig anderen Verstärkungs- und damit Klangcharakteristik. Der Volumenregler gibt sein Signal direkt an den Mischer.

Nach der Signalmischung ist hier eine passive Einkopplung des parallelen Effektweges gezeichnet. Alternativ ist am obersten Rand eine aktive Variante mit Halbleitern und zwei verschiedenen Varianten für die Signalmischung gezeichnet. Es zeigte sich sehr bald, dass eine niederohmige Auskopplung des Signals an ein Effektgerät eine zusätzliche Röhrenstufe erfordert hätte. Das passte aber wiederum nicht in das Konzept der 12V Heizung, die bei der Beschreibung der Stromversorgung noch näher beschrieben wird. Daher das "Sakrileg" eines Effektanals mit OPV im Signalweg.

Nach dem Mischen von Normalsignal und Effekten wird der Pegelverlust von TR4-2 angehoben und gelangt an den Master Volume Steller R77. Diese Stufe ist stark gegengekoppelt, allerdings enthält der Plan noch keine konkreten Werte ! Alternativ kann der Volumesteller durch eine Schaltung mit Loudness Funktion ersetzt werden, also einer "gehörrichtigen" Lautstärke"regelung". Die gewählte Schaltung kommt ohne Anzapfung aus, kann dafür das Signal nicht auf "0" stellen. Von der Funktion wird ein besserer Klang bei kleinen Lautstärken erwartet, mal sehen...

Nach dem Master folgt die Endstufe mit Phasenumkehr und Endstufe für B-Betrieb mit fester Gittervorspannung. Die Schaltung entspricht der eher hochohmigen Bauart der Marshall Endstufen. Da kamen dann schon Fragen auf: wird es der Treiber schaffen, die gut 2 x 22 Vss aufzubringen ? Eine Gegenkopplung ist auch vorgesehen, die Werte sind auch hier noch zu ermitteln, am besten sie wird verstellbar gemacht. Im Gegensatz zur Marshall Schaltung gibt es erst mal keinen Präsenzsteller.


Stromversorgung

Die Stromversorgung erfolgt nach dem "Back-to back" Konzept, das heißt, es wird aus dem Netz eine niedrige Wechselspannung erzeugt, die dann einerseits direkt zur Heizung eingesetzt wird und andererseits wieder hochtransformiert zur Bereitstellung der Hochspannungen dient. Das ermöglicht einen besonders sicheren Betrieb, da man an das "Effektpedal" nur eine ungefährliche Spannung anlegt.

Rechts steht das Schaltbild zur im Labormuster realisierten Schaltung.

Die Versorgung erfolgt mit 15 V, die mit einem 12 V Ringkerntransformator hochtransformiert und in Mittelpunktschaltung Zweiweg-gleichgerichtet wird. So erhält man eine Rohspannung von etwa 175 V im Leerlauf. Mittels Einweggleichrichtung und C-R-C-R-C Kette wird die negative Gittervorspannung erzeugt.

Stromlaufplan der Stromversorgung ( klick für vergrößerte Ansicht oder als PDF )
Die Hochspannung wird einmal direkt vom Ladekondensator an die Endstufe, speziell die Mitte des Ausgangsübertragers, angeschlossen. Andererseits wird die Spannung mittels der bekannten Stabilisierungsschaltung mit MOSFET auf etwa 145 V für die Vor- und Treiberstufen stabilisiert. Da der Trafo nur eine Leistung von 10 W übertragen kann, ist mit einer "weichen" Charakteristik der Stromversorgung zu rechnen.

Im nebenstehenden Diagramm ist die Lastabhängigkeit dargestellt. Man erkennt, dass die Endstufenspannung stetig mit der Belastung fällt. Auch die Vorstufenspannung sinkt ab, wenn die Stromaufnahme steigt. Das soll den "Sag" von älteren Netzteilen mit Röhrengleichrichter nachbilden, die zu einer Kompression des Ausgangssignals führt.

Diagramm Ausgangsspannung Netzteil ( klick für vergrößerte Ansicht oder als PDF )
Die Heizung der Röhren erfolgt mit Gleichspannung, um einen geringen Brumm zu erreichen. Es werden jeweils 2 Röhren gleichen Heizstromes in Reihe geschaltet, man erhält so eine Heizspannung von 12,6 V und hat den Vorteil geringerer Ströme für die Stabilisierung der Heizspannung. Immerhin fließen auch hierbei noch 1,25 A Heizstrom !

Zur Stabilisierung wird aber kein analoger Längsregler eingesetzt, sondern zur Minimierung der Verluste wird ein Schaltregler benutzt, hier ein LT1076. Dieser hat leider nur 75 kHz Schaltfrequenz und braucht recht große Spuleninduktivitäten, ist aber relativ preiswert. Was uns das einbringen wird, sehen wir bei Inbetriebnahme und Test des Labormusters.


Aufbau

Kommen wir nun endlich zur praktischen Seite. Das Ganze wird nun als Labormuster aufgebaut. Zunächst baute ich einen Trafo für die Betriebsspannung von 15 V auf, ordentlich in ein Gehäuse mit Netzfilter und Sicherung samt Kaltgeräteanschluss. Das kann man dann hinstellen und vergessen.

Die Schaltungen werden auf zwei Lochrasterplatten aufgebaut, die auf ein größeres Stück Pertinax augeschraubt werden. Dann sieht das Ganze fertig wie folgt aus...

Die Stromversorgung kommt auf eine eigene Lochrasterplatte, da hat sie reichlich Platz, sogar ein Kühlkörper konnte noch nachträglich aufgebaut werden. Eigentlich war der gar nicht vorgesehen, aber dazu mehr bei der Inbetriebnahme.

Bedeutent gedrängter geht es schon auf der Verstärkerplatine zu. An der rechten Seite wurden (fast) alle Potis für die Tonestacks untergebracht. Die Schalter vorn sind für die diversen Boost-, Bright- und ähnlichen Funktionen. An der linken Seite sieht man die 4 Röhren für Vorstufen und Phasendreher, die beiden Endstufenröhren befinden sich an der oberen Seite. Dahinter der Ausgangsübertrager.

Besgter Übertrager dient auch ein bischen zu Experimentierzwecken. Zunächst war nämlich ein winziger Typ mit M42 Kern verbaut ( genauer: Reinhöfer 53.41 ). Wie noch bei der Inbetriebnahme näher beschrieben, wurde dann doch lieber der größere M55 Übertrager 53.55 eingesetzt.

Um leicht die Klangcharakteristik ändern zu können, wurden die frequenzbestimmenden Bauelemente der Vorstufen und des Tonestacks des Marshall Kanals auf kleinen Modulen aufgebaut, die sich in eine 14-polige IC Fassung stecken lassen. Ich nenne sie "Soundmodule". Solassen sich leicht Bausteine mit anderen Werten der Kondensatoren und Widerstände vorbereiten und durch schnellen Wechsel besser in ihrer Wirkung vergleichen.

Ebenfalls auf einem extra Modul wurde die Schaltung für die Effektl Loop aufgebaut. Man kann dann mittels einfachen Brückensteckers erst mal ohne sie arbeiten und dann an dem leicht zu verändernden Modul auch besser Änderungen vornehmen. Die 4-fach Chinchbuchse dient dabei nicht nur zur Zuführung des Gitarrensignals, sondern erlaubt auch die Zu- und Abführung der Signale zum Effektgerät und der Endstufe direkt. Somit kann man auch Messungen an der Endstufe separat vornehmen.

Ebenso steckbar wurde der Master Volume Steller ausgeführt, um leicht zwischen gewöhnlichen Poti und Laudness-Schaltung wechseln zu können.

Außerdem konnte mit diesem Modul auch noch ein Noise Gate ausprobiert werden, das bei der Inbetriebnahme als sinnvolle Ergänzung hinzugekommen war.

Die "Soundmodule" ( klick ! )
Steckplatine der Effekt Loop mit OPV ;-( ( klick ! )
Für den Aufbau kamen selbstverständlich nur moderne Folienkondensatoren und Metallschichtwiderstände in Betracht. Die Alufolie mit ölgetränktem Papier sollte man besser zum Einwickeln der Frühstücksbrote benutzen und gepresste Kohle gehört auf den Grill oder in den Ofen. Es sei denn, man ist an dem schlimmen Morbus Audiophilus erkrankt, dann empfiehlt sich diese Zauberformel... Nur die Potis sind billige Typen, die gerade herumlagen, aber für ein Labormuster muss das erst mal gehen.

Wer noch mehr Bilder vom Arbeitsfortschritt oder von Details sehen möchte, betrachte bitte diese kleine Galerie.


Inbetriebnahme und Tests

Im folgenden werden einige Messungen und Hörtests vorgestellt, von denen die ersteren freilich objektiv und jederzeit nachprüfbar sind, die letzteren naturgemäß subjektiv und von eigenen Vorlieben und Vorurteilen geprägt sind.

Wer nun vielleicht darüber nachdenkt, dieses Projekt nachzubauen, dem sei nochmals gesagt, dass es sich nicht um eine Nachbauanleitung für Anfänger handelt. Vielmehr zeigt auch das Fehlen von Werten im Stromlaufplan und die Varianten in der Schaltung, dass es sich hier um ein Experiment, ein Labormuster quasi handelt. Das kann einmal ein richtiges Gerät werden, aber davon mehr im Kapitel "Fazit".

Wer nun aber schon etwas erfahrener ist, könnte sich schon am Selberlöten versuchen. Aber es muss auch hier stehen, obwohl es in allen ernsthaften Beiträgen zum Selbstbau von Röhrengeräten steht:
  • Vorsicht ! Das Gerät arbeitet mit gefährlichen Spannungen, die beim durchfließen des Körpers gesundheitliche Schäden verursachen können.
  • Niemals spannungsführende Bauteile berühren, möglichst immer eine Hand auf dem Rücken.
  • Vor Arbeiten am Gerät oder dem Anschließen von Meßgeräten etc. immer die Kondensatoren der Hochspannung entladen
  • Bei Meßgeräten, besonders dem Oszillografen, immer die Belastbarkeit der Eingänge beachten ( Tastkopf auf 10:1 stellen ! )
Gibt es etwas schöneres für den Freund der Röhrentechnik, als wenn er sein Werk so heimlich glühen sieht ?!

Hier ist vielleicht nicht sooo eindrucks-voll wie eine 300B oder KT88, aber trotzdem...... ( klick ! )

Begonnen hat die Inbetriebnahme natürlich mit der Stromversorgung. Über den Netztrafo wurde ja bereits weiter oben berichtet, auch die Messung des Lastverhaltens der Hochspannung bereits vorgestellt. Im Ganzen machte dieses Teil keine Schwierigkeiten. Ganz im Gegensatz zur Heizspannungserzeugung. Mit der verwendeten Spule funktioniert die Schaltung leider nur mit schlechtem Wirkungsgrad, so dass der Regler relativ warm wurde und ein Kühlblech verpasst bekam, dass er eigentlich nicht nötig hätte bei den "popeligen" 1,25 A Strom. Noch schlimmer machte sich die geringe Schaltfrequenz bemerkbar, es waren Störungen zu hören, die eindeutig auf den Schaltregler zurückzuführen waren. So mußten viele Messungen mit Heizstrom aus dem Labornetzteil gemacht werden. Auf einen Umbau mit anderem Regler wurde aber dann doch verzichtet, beim geplanten Prototyp wird alles besser !

Nun folgten die Messungen am Verstärker. Diese wurden in einer Datei erfasst, die als PDF verfügbar ist ( wenn Java Script eingeschaltet ist, dann klick ! hier für neues Fenster ).

Zunächst kamen natürlich erst mal die Gleichspannungen und Ströme dran. Es war alles im grünen Bereich und ein Vergleich der Verhältnisse zu einem Marshall Verstärker zeigte vergleichbare Werte. Die Ströme sind allerdings auch recht klein, 90µA in der zweiten Stufe...wir werden hören !

Danach erfolgte die Messung der Verstärkungen, wieder im Vergleich mit den Vorbildern. Die 6N17B ist natürlich keine ECC83 und so können die Verstärkungen auch nicht erreicht werden, aber das hat auch nur in der ersten Stufe wirklich eine Bedeutung. Trotzdem kann man mit den 33 dB schon sehr zufrieden sein. Später wurden noch Messungen der erreichbaren maximalen Spannungen zur Dimensionierung der Mischstufe und der Effektschleife gemacht.

Kommen wir nun zur Endstufe, die separat vermessen wurde nach "normalen" Kriterien. Die Phasenumkehr funktionierte auf Anhieb, sauberes Signal gleicher Ausgangsspannung von 21 Vss. In der Endstufe war wie bereits dargestellt, zuerst der Übertrager 53.41 von Reinhöfer eingebaut, etwas hochohmig, aber er sollte in die Sättigung getrieben werden, wegen der Verzerrung. Nach Kennlienberechnung wurde mit 2,1 W gerechnet, das reicht bei den guten Trafos bestimmt nicht zur Sättigung (?), gemessen wurde schließlich eine Ausgangsleistung von 2,6 W bei einem Klirrfaktor von 10%. Der Frequenzgang ist dem kleinen Eisen entsprechend und hat eine fu von 43 Hz. Das ist nicht so toll, wenn man bedenkt, das das Teil ja relativ leise sein wird und das Ohr "unten" wenig empfindlich ist. Auch die Betrachtung des Phasenverhaltens auf dem Oszi zeigte schlechte Werte mit starken Schwankungen. Der Einsatz des Übertragers 53.55 führte dann zu einer fu von 23 Hz und einem viel besseren Phasengang. Auch die Ausgangsleistung war wegen der günstigeren Impedanz natürlich größer, erreicht wurden 3,6 W bei 10% Klirrfaktor. Um die Dauerbelastbarkeit nachzuweisen, erfolgte danach eine Messung mit Sinus-Dauerton über 15 Minuten wie in der guten alten Hi.Fi Norm. Der Test wurde problemlos erfüllt.

Zum Abschluß wurde noch die Phasentreiberröhre durch eine 6H16B ersetzt, das geht, weil der Heizstrom dem der 6N17B entspricht, aber sie hat ein geringeres µ von 25 gegenüber 75 bei der ursprünglichen Röhre. Wie erwartet ist die Verstärkung entsprechend geringer und es traten größere Unsymmetrien auf. Ohne Umdimensionierung im Phasendreher ist ein Ersatz der Röhre meines Erachtens nicht sinnvoll, freilich setzt die Verzerrung etwas früher ein, aber so gravierend ist die Auswirkung nicht.

Nicht durchgeführt werden konnten die Messungen mit 5639 in der Endstufe, da nicht genügend geeignete Röhren zur Verfügung standen.

Hier noch ein paar Dateien, auf die auch im Inbetriebnahmebericht Bezug genommen wird.

Hörtests

Messungen sind gut und schön und müssen auch unbedingt systematisch gemacht werden, um Probleme im Vorfeld zu erkennen und offentsichtliche Unzulänglichkeiten auszuschließen. Aber für einen Gitarrenverstärker ist das Wichtigste nun mal der Klang, schließlich ist es eigentlich auch ein Effektgerät, ein sehr komplex arbeitender nichtlinearer und linearer Verzerer nämlich.
Das ist eine der Gitarren, mit denen getestet wurde. Sie ist nicht mehr das, was drauf steht, sondern stark modifiziert. Es stehen umfangreiche Schaltmöglichkeiten mit den zwei splitbaren und in Reihe oder parallel beteibbaren Humbuckern zur Verfügung.Außerdem kann zwischen passivem und aktivem Betrieb mit spezieller Klangregelung umgeschaltet werden. Sie ist für die Fenderartigen Klänge verantwortlich.
Dieses Instrument ist eine Gordon Smith mit kräftigen Humbuckern und ebenfalls aktiver Schaltung. Sie dient der härteren Gangart.

An das Labormuster wurde zunächst ein 8" Lautsprecher unbekannter Herkunft angeschlossen, danach aber ein richtiger 12" Guitar Legend von Eminence.

Zuerst wurde aber der Fender Kanal getestet. Der erste Eindruck: verdammt laut, das Teil...

Der cleane Kanal klang auf Anhieb wie erwartet klar und strahlend, die Klangregler wirkten gut, wenn auch die Einstellbereiche wegen der linearen Kennlinien natürlich etwas seltsam anmuteten. Mittels verkleinern des Fußwiderstandes im Tonestack konnte ein Boosteffekt erzeugt werden, der den Kanal in sanfte Verzerrung brachte, auch wenn der Master Volume zurück gedreht ist. Das beste ist aber bei cleanen Sounds, wenn man etwas Hall hinzufügen kann. Also den Effektkanal eingebaut, Hallgerät ( mit viel Sand ) dazwischen... und die Sonne geht auf. Das ist genau der Wohlklang einer cleanen Gitarre, und es ging mit beiden Instrumenten gleich gut, natürlich auf anderen Levels.

Nun aber schnell auf Marschall Kanal umgeschaltet. Bei geringem Gain schöner Crunchsound, sehr schön im Klang mit dem Tonestack zu beieinflussen. Dann Gain weiter auf und die Verzerrung nimmt schön zu, auch Harmonien matschen nicht, aber im Ganzen etwas zu höhenlastig. Erst mal wurde das bekämft durch Einbau eines Tiefpass in das erste Soundmodul ( wie flink das geht - das bewährt sich vollends ! ), schon besser, aber nicht wirklich gut. Dann endlich stand der 12" Lautsprecher zur Verfügung, da waren die Höhen wie von selbst weg, der Tiefpass wurde etwas abgemildert. Nun einmal die Chords von "Whole Lotta Love" angeschlagen und ja, das klingt nach Jimi Page ! Das verführte zu etwas Experimenten mit den schaltbaren Funktionen des Tonestack und es konnten viele "gute alte Sounds" gefunden werden. Nun sollte es noch etwas mehr sein, also Boost Schalter betätigt. Noch etwas mehr Verstärkung ist schon da, aber nicht das was die "High Gain" Sound a'la Satriani oder Vai ausmacht. Nicht genug Gain also ?

Offenbar muß ein stärkerer Booster her, nach Art der guten alten Mesa/Boogie oder der JCM 2000er, das würde auch die Chrakteristik der zweiten Verstärkerstufe nicht so stark verändern. Mit dem Labormuster lässt sich das einfach bewerkstelligen, indem die Fenderstufe einfach vor den Marshall Kanal gehängt wird. Nun ist genug Gain da , aber leider etwas zu viel für den Aufbau - es pfeift beim Aufdrehen des Gain. Prinzipiell funktioniert das schon, aber man muss für später das Konzept anders anlegen, beim Prototyp soll so etwas wie im JCM 200 Model DSL 60 realisiert werden. Die zwei Stufen Röhrenbooster eines Mesa/Boogie lassen sich nicht so einfach in das Konzept integrieren.

Im Großen und Ganzen wurden die klanglichen Ziele der einzelnen Kanäle erreicht, vor allem was traditionelle Sounds anbelangt. Freilich klingt der Fenshall Marder nicht "original" wie die Vorbilder wenn man strenge "Guitarampophile" Maßstäbe anlegt, aber die Sounds haben einen genügend großen Wiedererkennungswert und können auch durch die Klangbeinflussungen mittels der Tonestacks gut angepasst werden. Auch der parallele Effektweg hat sich für seinen vorgesehen Einsatz vor allem für Hall, Delay und Choruseffekte vollkommen bewährt. Nicht so toll ist die Möglichkeit, beide Kanaäle zu mischen. Das Ergebnis klingt irgendwie nicht überzeugend, irgendwas ist immer zu laut oder nicht "schön" genug. Das wird wohl auch beim Prototyp so nicht eingebaut. Was auch nicht funktionierte, war die passive Schaltung für den Kopfhörerausgang. Zwar arbeitet der Verstärker anstandslos auf die doch recht aufwändige Ersatzlast, aber der Klang ist natürlich extrem Höhenlastig, da fehlt der Frequenzgang des Lautsprechers. Schließlich sind Gitarrenlautsprecher ja eher traditionelle Tieftöner. Mit einer passiven Schaltung war nicht der Klang zu erzielen. Das trifft auch auf den geplanten DI-Ausgang zu, hier wird im Prototypen mehr Aufwand getrieben werden müssen.


Fazit

Nach dem Projekt ist vor dem Projekt....

Nach der doch recht erfolgreichen Inbetriebnahme und den Tests unseres "Labormusters" wurde nun der Plan gefaßt, einen Prototypen mit verbesserten Eigenschaften zu bauen. Das Gerät soll auf "richtigen" Leiterplatten gelötet werden und dann auch das schon in der Idee angedachte bodeneffektartige Gehäuse bekommen, also eine Art Pult mit Fußschaltern vorn und Potis, möglichst versenkt, an der hinteren Seite und den ganzen Anschlüssen an der Rückwand. Es soll neben dem Lautsprecherausgang auch einen parallelen Effektweg, Slave out zum Anschluß einer großen Endstufe, Kopfhörer- und DI-Ausgang bekommen. Mit einem Fußschalter sollen zwei Kanäle wählbar sein, mit zwei weiteren die verschieden Soundbeeinflussungen schaltbar sein. Diese werden über Relais geschaltet und sind über DIP-Schalter programmierbar.

So enstand ein neues Blockschaltbild. Die Zahl der Verstärkerstufen verändert sich nicht. Ebenso ändert sich nichts an der Endstufe. Nur die Vorstufe wird etwas anders sortiert. So wird die zweite Röhre des Fender Kanals nun umschaltbar als Boosterstufe für einen High Gain Sound benutzt. Dazu bekommt diese dann auch ein neues Soundmodul, es sind also nun insgesamt 3 Stück vorhanden.

Ein Mischen der Kanäle ist nun nicht mehr vorgesehen, sie werden mit Relais hart umgeschaltet. Diese und die andern Schaltvorgänge können einmal mit Schaltern auf der "Frontplatte", also da, wo die Potis sitzen, betätigt werden oder wie bereits gesagt, von den Fußschaltern ferngesteuert werden. Die Schaltstellungen werden durch LEDs angezeigt. So ist auch eine spätere Erweiterung auf eine MIDI-Ansteuerung möglich.

Blockschaltbild für den Prototyp ( klick für vergrößerte Ansicht oder als PDF )

Der Effektweg und die Schaltungen für Kopfhörer- und DI-Ausgang samt vorgeschaltetem Tiefpass werden mit Halbleitern ausgeführt. Dabei wird die Grenzfrequenz des Tiefpasses umschaltbar sein zur Simulation verschiedener Lautsprecher.

Das Stromversorgungsteil wird prinzipiell ebenfalls wie im Muster ausgeführt. Es wird also eine Wechselspannung von 15 V zugeführt. Die Hochspannungen werden auch wie im Muster geschaltet. Nur im Schaltregler für die Heizung wird ein moderner Typ mit 260 kHz Schaltfrequenz eingesetzt. Dieser Teil ist sogar schon realisiert und funktioniert nach einigen Anpassungen im Layout sehr gut. Auch bei Dauerbetrieb mit 1,2 A werden der Regler, Schottkydiode und Spule nur gut handwarm.

Also gute Aussichten für den Prototyp....wenn Interesse besteht, an dieser Stelle mehr !


Copyrights und Copylefts

Die in diesem Artikel vorkommenden Marken sind Eigentum ihrer jeweiligen Inhaber: Fender für Fender Musical Instruments Corporation Scottsdale AZ USA ; Marshall für Marshall Amplification plc Milton Keynes GB; Koch für Koch Guitar Electronics Amersfoort NL; Seymour Duncan für Seymour Duncan Santa Barbara CA USA; Reinhöfer für Reinhöfer Elektronik GmbH Meuselwitz D; Mesa/Boogie für Mesa Engineering Pentaluma CA USA

Informationen zu Schaltplänen klassischer Gitarrenverstärker siehe bei Schematic Heaven

Hintergründe und Dimensionierung von Klangreglern für klassische Gitarrenverstärker bei Duncan's Amp Pages

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Uwe Kutschki; Jena, November 2007